Begeisterter Gardist und Sänger
Andreas Beck regiert den Kalten Markt / Vereinsmeier mit Präsidenten-Gen in Familie
Von Ulrich Schwind

Andreas Beck stammt nicht nur aus einer bekannten Schlüchterner Familie, sondern hat auch eine „präsidiale Verwandtschaft“. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis der 60-Jährige auch in dieses Amt gehoben wurde. Beim Kalten Markt 2022 ist es nun soweit und Andreas Beck ist der 70. Präsident des beliebten Heimatfestes.
Er ist ein echter Schlüchterner Bub, der mit seinen sechs Geschwistern im Herzen der Stadt in der Krämerstraße aufwuchs. Da gibt es nur einen kleinen Schönheitsfleck in seiner Vita: Der Regent wurde in Büdingen geboren. Dies war dem Umstand geschuldet, dass sein Vater seinerzeit dort arbeitete.
Doch als Andreas drei Jahre alt war, zogen seine Eltern Marianne und Karl-Ewald zurück in den Bergwinkel und dort in das Beck´sche Elternhaus. Er war bei den sieben Kindern als Sprössling Nummer vier die „goldene
Mitte“. Seine Schwester Christine Nammert ist mittlerweile schon verstorben.
Im Jahr 1963 regierte bereits sein Onkel Werner Beck den Kalten Markt, 1984 sein Vater Karl-Ewald, der sich als Dirigent in der Region einen großen Namen machte, sowie 1994 Jörn Hagemann, der heutige Präsident der Präsidenten.

Andreas Beck absolvierte die klassische Bildungsstrecke: Besuch von Grund-, Real- und Fachoberschule. Nach dem Fachabitur absolvierte er eine Ausbildung zum Technischen Zeichner bei der Firma Schöhl Haustechnik in Birstein, wo er heute immer noch arbeitet – insgesamt bereits einen respektablen Zeitraum von über 30 Jahren. Dabei widmet er sich besonders der technischen Planung von Großprojekten, vorwiegend in Frankfurt.
Zum Kalten Markt tritt der Schlüchterner als frischgebackener „60er“ in Erscheinung. Der runde Geburtstag Ende Oktober wurde aber nicht groß gefeiert. Logisch in Anbetracht der großen Präsidentschaft. Apropos runde Zahlen: Andreas Beck ist in diesen Tagen auch zehn Jahre mit seiner Frau Susanne verheiratet. Sie hatte er ganz modern vor fast 20 Jahren per Internet kennengelernt.
Daraus entstand zunächst eine echte Fernbeziehung, weil sie aus Halle in Sachsen-Anhalt stammt. Und zwischen Halle und Schlüchtern liegen nun einmal rund 350 Kilometer. Also wurde viereinhalb Jahre eifrig gependelt. Meist war es Andreas, der den weiten Weg Richtung Osten an Wochenenden zurücklegte.

Dann musste eine Entscheidung her, und die hieß: Susanne kommt nach Schlüchtern. „Wenn er von Schlüchtern weggezogen wäre, wäre er kaputt gegangen“, mutmaßt sie heute. Sie selbst hat sich hier im Bergwinkel gut eingelebt. Zu dem Ehepaar gehören übrigens vier Kinder. Zwei von ihm, zwei von ihr. Also eine echte Patchwork-Familie.
Der 60-Jährige hat die üblichen Beck-Gene im Blut: die der Vereinsmeierei. Dabei hat er zwei große Schwerpunkte: Gardewesen und Chorgesang. Schon als Kind folgte er dem Vorbild seiner beiden Brüder Klaus und Harald und schloss sich Anfang der 1970er Jahre der Historischen Bürgergarde der Stadt Schlüchtern an – und zwar zunächst als Kanonier. In den rund 50 Jahren, die er mittlerweile diesem Traditionsverein angehört, arbeitete er sich dann zum Kleiderwart und Beisitzer hoch, bevor er im Jahr 2017 das Amt des Vorsitzenden übernahm, das er bis zum heutigen Tag bekleidet. Vom militärischen Rang war die Entwicklung vom Gardisten über den Gewehrträger und den Trommler zum Fähnrich.

Die Bürgergarde ist für ihn wie eine große Familie, die von einem guten Zusammenhalt geprägt wird. Und weil ihm die Arbeit so viel Spaß macht, investiert er auch viel Zeit in den Verein. Vier bis fünf Stunden sind es wohl jede Woche. Neben Papierkram kümmert er sich vor allem auch um ein modernes digitales Fotoarchiv.

Seine zweite große Leidenschaft ist der Chorgesang. Mit 14 Jahren stieß er – ebenfalls durch seine Brüder und auch Schwestern – zum Chor „Eintracht“ und dort zu der Jugendgruppe „Eintracht Singers“, die später in „Young Selection“ umbenannt wurde und von ihm als musikalischer Leiter angeführt wurde. Nachdem sich der Eintracht-Chor aufgelöst hatte, unterstützt er heute als zweiter Bass den Liederkranz Breitenbach. Und ferner als passives Mitglied die Freiwillige Feuerwehr Schlüchtern. Früher als Kind stärkte er zudem als Rechtsaußen die C-Junioren der Sportgemeinschaft Schlüchtern.
Ansonsten lässt er es in der übrigen Freizeit ruhig angehen: Da spielt er mal Gitarre, was er sich selbst beigebracht hat. Oder wandert mit Kumpels durch den Spessart. Oder übernimmt in der heimischen Küche die Regie. Sauerbraten, Grüne Soße oder Backofenkartoffeln entstehen da unter seinen Händen. Auch Hausarbeit mit Putzlappen und Besen ist ihm nicht fremd. Und in einer ruhigen Minute frönt er seiner Leidenschaft als Winnetou-Fan. Alle Bücher und Filme von Karl May hat er bereits verschlungen.
Einmal Kalte-Markt-Präsident zu sein, davon hat Andreas Beck schon als Kind geträumt. Auch später, als er als Gardist bei der Markteröffnung vor der Bühne stand, wünschte er sich, auch mal „da oben stehen zu dürfen“. Seine Familie war wegen des Elternhauses in der Krämerstraße schon immer ganz dicht am Geschehen dran, zumal in früherer Zeit das Soldatenlager der Garde direkt vor der Haustür stattfand. „Da war bei uns für alles Dreh- und Angelpunkt“, erinnert sich der 60-Jährige. Egal, was auch fehlte, vom Handtuch bis zum Kaffee, alles wurde im Hause Beck besorgt. Selbst die Frühstückseier wurden dort gebacken.
So etwa mit 50 Lebensjahren verfestigte sich der Gedanke zusehends, einmal Präsident zu werden. Als dann vor zwei Jahren die Bürgergarde ihr 70-jähriges Bestehen feierte, sollte es klappen. Doch die Corona-Pandemie machte dem Plan einen Strich durch die Rechnung. Also nun zwei Jahre später ist es soweit. Auf Vorschlag der Bürgergarde kam er in das Amt. Und wird – Achtung Jubiläum – der 70. Präsident. Susanne und Andreas Beck sind hochmotiviert: „Jetzt machen wir ordentlich Party!“
Dem Rückhalt in seiner Familie kann er sich gewiss sein. Selbst seine Schwester Gaby Fitzpatrick kommt eigens aus Amerika angereist. Und er ist schon ganz gespannt, wie es ist, „mal ganz oben zu stehen“. Ansonsten will er sich bodenständig geben und so oft wie möglich unter das Volk mischen.
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